Polizeiliche Anzeige – Leitfaden für Stalking-Betroffene

Eine Anzeige bei der Polizei kann eine effektive Strategie im Umgang mit Stalking sein. Wenn Sie sich dazu entschließen, können Ihnen die nachfolgenden Hinweise bei der Vorbereitung und Erstattung der Anzeige helfen.

Dokumentation und Beweismaterial:

Bereiten Sie Ihre Zeugenaussage bzw. Ihre polizeiliche Anzeige so gut wie möglich vor.

1. Hierfür ist es wichtig, dass Sie detaillierte Stalking-Protokolle führen. Dokumentieren Sie alle Stalking-Handlungen mit Datum, Uhrzeit, Hergang und Inhalt der Stalking-Handlung sowie Name und Adresse von Personen, die die Ihnen widerfahrenen Stalking-Handlungen bezeugen können (Nachbarn, KollegInnen, Freunde, Verwandte etc.).

2. Bewahren Sie sämtliche im Zusammenhang mit dem Stalking stehenden Beweismittel unter Vermerk des Datums auf. Als Beweismittel können dienen: Fotos, Arztberichte, SMS, E-Mails, Mailboxnachrichten, Briefe, beschädigtes Eigentum, etc.

Bei der Polizei besteht die Möglichkeit, Handydaten auslesen zu lassen, dafür gibt es eine spezielle Dienststelle. Stellen Sie sich darauf ein, dass immer Ihre kompletten Handydaten ausgelesen werden. Sollten sich also private Fotos oder Ähnliches auf Ihrem Handy befinden, die nichts mit dem Stalking zu tun haben, löschen Sie diese vorab. Das Handy wird innerhalb max. 2 Stunden bearbeitet und am gleichen Tag dem Besitzer/der Besitzerin zurückgegeben.

3. Einzelne Stalking-Vorfälle, die besondere Beachtung verdienen und beispielsweise eine persönliche Konfrontation mit dem Stalker/der Stalkerin beinhalten, können Sie vorab an Ihre polizeiliche Anzeige aufschreiben. Eine Tathergangsschilderung kann Sie während Ihrer Aussage bei der Polizei unterstützen und verhindern, dass Sie bis zu einer möglichen Gerichtsverhandlung wichtige Informationen vergessen. Übergeben Sie eine Tathergangsschilderung der Polizei und behalten Sie eine Kopie für sich selbst. Sie können Ihre Aussage bei der Polizei später nicht nochmals einsehen, ohne dass Sie einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin mit der Akteneinsicht beauftragen.

4. Für das Erstatten einer Strafanzeige ist die Angabe Ihrer Anschrift oder einer ladungsfähigen Alternativadresse erforderlich. Bei der Anzeigenerstattung können Sie bei nachweislicher Gefährdung von vorneherein verlangen, dass Ihre Adresse nicht in die allgemeine Akte aufgenommen wird, sondern separat in einer Beiakte geführt. Dies gilt v.a. wenn der Stalker/die Stalkerin Ihre Wohnadresse bisher nicht kennt. Durch seine(n)/ihre(n) Rechtsanwalt/Rechtsanwältin könnte er/sie sonst in den Besitz Ihrer Adressdaten kommen.

Sortieren und strukturieren Sie Ihre Stalking-Protokolle und die entsprechenden Beweismittel vor Ihrer Zeugenaussage bei der Polizei, sodass die Informationen Sie selbst bei Ihrer Aussage unterstützen können und für die Polizei verständlich und nachvollziehbar sind.

5. Wenn Sie körperlich verletzt worden sind, suchen Sie die Gewaltschutzambulanz auf: Tel. 030 450570270, https://gewaltschutz-ambulanz.charite.de. Dort werden Ihre Verletzungen detailliert untersucht und rechtssicher dokumentiert. Bei Verletzungen am Hals erhalten Sie einen Untersuchungstermin noch am selben Tag, ansonsten innerhalb ca. einer Woche. Sollten Sie keinen zeitnahen Termin erhalten, ist es wichtig, dass Sie anderweitig einen Arzt/eine Ärztin aufsuchen. Auch wenn keine Behandlung notwendig ist, soll diese(r) Ihre Verletzungen dokumentieren und darüber einen Arztbericht verfassen, welcher später als Beweismittel verwendet werden kann. Auch ist es wichtig, Fotos von Verletzungen anzufertigen. Im Fall von sexuellen Übergriffen sollten Sie sich vor der Untersuchung nicht waschen und z.B. beschmutze Wäsche in einem Papierbeutel sichern.

6. Wenn Sie eine Online-Strafanzeige für die richtige Lösung halten, können Sie diese bei der Internetwache der Berliner Polizei httpss://www.internetwache-polizei-berlin.de/ erstatten.

Strafanzeige und Strafantrag:

Mit dem Erstatten einer Strafanzeige informieren Sie die Polizei über das Vorliegen einer Straftat. Da Stalking im Sinne des § 238 Abs. 1 StGB ein Antragsdelikt ist, müssen Sie dazu innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Anzeige ausdrücklich einen Strafantrag stellen, damit die Straftat verfolgt werden kann. Ausnahmsweise kann jedoch die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen (vgl. § 238 Abs. 4 StGB). Dies kann bei besonders rohem Verhalten des Täters/der Täterin oder bei einschlägigen Vorstrafen der Fall sein.

Die Polizei ermittelt gegen den des Stalkings beschuldigten Menschen. Das kann bis zu drei Monaten dauern. Dann übergibt die Polizei die Akte an die Amts- bzw. Staatsanwaltschaft, die darüber entscheidet, ob die vorliegenden Tatsachen für eine Anklageerhebung im Sinn des Nachstellungsgesetzes §238 StGB ausreichen. Wenn die dort geforderte „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ nicht eindeutig aus der Ermittlungsakte hervorgeht, werden beim ersten Mal viele Verfahren eingestellt. Manchmal gibt es eine Auflage an den Beschuldigten/die Beschuldigte, Beratungsgespräche bei Stop-Stalking zu führen, manchmal wird eine Geldbuße verhängt und in schwerwiegenden Fällen kommt es tatsächlich zur Gerichtsverhandlung.

Dennoch kann alleine die Tatsache, dass der/die Beschuldigte merkt, dass Sie sich wehren und die Polizei gegen ihn/sie ermittelt, dazu führen, dass er/sie erkennt, dass sein/ihr Handeln strafbar ist. In einigen Fällen genügt dieser Strafverfolgungsdruck, dass ein Mensch seine Stalkingverhaltensweisen einstellt.

In seltenen Fällen kann es jedoch auch zu einer Eskalation des Stalkings führen. Daher sollten Sie vor Anzeigenerstattung mit einer Fachstelle (z.B. Stop-Stalking) darüber sprechen, welches Risiko Ihnen droht und wie Sie sich dagegen schützen können.

Nur wenn Sie als Geschädigter/Geschädigte einer Straftat in den ersten drei Monaten nach der Tat einen Strafantrag stellen, erhalten Sie ein Informationsrecht über den Ausgang des Verfahrens und können ggf. gegen eine Einstellung in Widerspruch gehen.

Polizeiliche Vernehmung:

Die polizeiliche Vernehmung dient der Überprüfung aller für und gegen die Wahrheit der Vorwürfe sprechenden Aspekte. Eine Zeugenaussage bei der Polizei ist für Geschädigte und Zeug*innen freiwillig.

Sie haben das Recht, zu Ihrer polizeilichen Vernehmung und zu einer gerichtlichen Zeugenaussage eine Person Ihres Vertrauens mitzunehmen, welche neben Ihnen sitzt. Dies ist nicht möglich, wenn die Einschätzung der vernehmenden Person dahingehend ausfällt, dass der Vernehmungszweck gefährdet wäre. Informieren Sie den vernehmenden Polizisten/die vernehmende Polizistin bzw. den Richter/die Richterin vorab telefonisch über Ihren Wunsch nach Begleitung.

Bei Bedarf besteht die Möglichkeit, die Anzeige einer weiblichen Geschädigten oder Zeugin von einer weiblichen Polizeibeamtin aufnehmen zu lassen.

Dolmetscher*innen werden von der Polizei zur Verfügung gestellt. Der Bedarf muss frühzeitig angemeldet werden. Nur beeidigte Dolmetscher*innen werden zugelassen.

Für alle Fälle, in denen Sie Rat zu polizeilichen Fragen suchen, steht Ihnen das Bürgertelefon der Polizei Berlin unter der Rufnummer (030) 4664 – 4664 zur Verfügung.

Gerichtliche Zeugenaussage:

Als geladener Zeuge/geladene Zeugin sind Sie zum Erscheinen bei Gericht und zur Aussage verpflichtet. Ein unentschuldigtes Fernbleiben kann negative Konsequenzen nach sich ziehen. Bei Krankheit sind eine telefonische Absage und ein ärztliches Attest, das „Verhandlungsunfähigkeit“ bescheinigt, erforderlich. Eine Krankschreibung reicht nicht aus!

Zeug*innen, die Angeklagten oder anderen Zeug*innen nicht vor der Verhandlung begegnen wollen, können geschützt bei der Zeugenbetreuung des Gerichts warten. Hierfür ist eine rechtzeitige Beantragung unter folgender Telefonnummer erforderlich: Tel. 030/9014 3498. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verhandlung muss ebenfalls rechtzeitig beantragt werden.

Zeug*innen werden vor Aussage vom Richter/von der Richterin über ihre Wahrheitspflicht belehrt. Nach Ihrer freien Schilderung der Tat können Sie von allen Prozessbeteiligten befragt werden.

Quellen:
1. https://www.berlin.de/polizei/
2. httpss://www.internetwache-polizei-berlin.de/
3. „Ein Wegweiser für Opfer von Straftaten“, Opferhilfe Berlin, 2011