Selbstverständnis
Stalking, das Nachstellen und Belästigen einer anderen Person, tritt in allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten sowie bei allen Geschlechtern auf. Dies gilt für die Betroffenen wie auch für die Menschen, die stalken.
Es stellt in vielen Fällen für beide Seiten ein erhebliches Problem dar. Die Folgen für Betroffene können u. a. Angst, Panikattacken, Depressionen, Schlafstörungen, psychosomatische Beschwerden, Arbeitsunfähigkeit, sozialen Rückzug und Einsamkeit umfassen.
Doch auch die Menschen, die stalken, leiden oftmals unter dem eigenen Stalking-Verhalten und dessen möglichen Auswirkungen wie u. a. innerer Leere, geringem Selbstbewusstsein, Scham- und Schuldgefühlen, Frustration, Kontrollverlust, Einsamkeit und sozialem Rückzug, Problemen mit Polizei und Justiz, Verlust von Zeit und Energie.
Wir verstehen Stalking als ein Geschehen, dem häufig eine missglückte Beziehungsgestaltung voran ging (Fiedler 2006). Dann betrifft es nicht ein isoliertes Individuum, sondern Menschen, die eine Vorgeschichte miteinander hatten, von der einer nicht loslassen will. Manchmal wurden Signale von Nähe bzw. Distanzierung fehlinterpretiert, manchmal glaubt die stalkende Person, noch ein Recht auf weitergehende Erklärungen zu haben, manchmal fällt es auch der betroffenen Person schwer, sich eindeutig und unmissverständlich abzugrenzen. Dennoch bleiben die Verantwortung und die strafrechtliche Schuld für das Stalking bei dem Menschen, der stalkt. Mit ihm bzw. ihr wollen wir erarbeiten, was er bzw. sie braucht, um ohne Stalking wieder selbstbestimmt leben zu können.
Die Beratungsstelle Stop-Stalking berät darum sowohl Betroffene von Stalking als auch Menschen, die stalken, sowie Angehörige und Personen, die im beruflichen Kontext mit Stalking zu tun haben.
Darüber hinaus verstehen wir unsere Aufgabe ebenfalls in der Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit hinsichtlich des Themas Stalking sowie im Aufbau eines Netzwerks, an dem Beratungseinrichtungen, Ämter und Strafverfolgungsbehörden zusammenwirken. Nur so kann Stalking effektiv eingeschränkt werden.
Fiedler, P. (2006). Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung. Weinheim, Basel: Beltz.
Stalking
Auf den folgenden Seiten erhalten Sie allgemeine Informationen zum Thema „Stalking“, worunter eine Begriffsklärung und Angaben zu aktuellen Zahlen fallen. Darüber hinaus informieren wir Sie über eine relativ neue und sehr aktuelle Form des Stalkings, das sogenannte „Cyberstalking“. Auf der letzten Seite erhalten Sie zudem Informationen darüber, in welchen Fällen Kinder von Stalking betroffen sein können und welche Hilfemöglichkeiten es gibt.
Der englische Begriff Stalking stammt ursprünglich aus der Jagdsprache und bedeutet übersetzt “heranpirschen”, “verfolgen” oder “nachstellen”. Seit den frühen Neunzigerjahren setzte sich der Begriff zunächst im angelsächsischen Raum und später auch in Deutschland als Bezeichnung für jenes soziale Verhalten durch, welches das Nachstellen einer anderen Person beinhaltet. Stalking beschreibt seither das vorsätzliche und beharrliche Nachstellen und Belästigen einer Person, welches diese nicht möchte und als unangenehm erlebt. Hierbei kann eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungsweisen vorkommen:
- Telefonanrufe
- Briefe / SMS / E-Mails
- Nachlaufen, Beschatten, Verfolgen, Ausspähen
- Unerwünschte Geschenke und Warenbestellungen
- Unerwünschte Kontaktaufnahmen in sozialen Medien, Verleumdungen und Manipulationen
- Cyberkriminelle Handlungen (z.B. Hacken)
- Miteinbeziehen der Angehörigen, Freund*nnen und Kolleg*innen usw.
- Beschädigen von Eigentum
- Eindringen in die Wohnung, aufs Grundstück
- Drohungen und körperliche Angriffe
Entgegen verbreiteter Vorstellungen und gelegentlicher Darstellung in den Medien ist Stalking nicht primär ein “Problem von Prominenten”, sondern tritt sowohl hinsichtlich der Betroffenen als auch der Menschen, die stalken, in allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten auf. Hierbei finden sich unter den Menschen, die stalken, sowie unter den Betroffenen sowohl Frauen als auch Männer, wobei ca.70% der Menschen, die stalken, männlich und ca. 30% weiblich sind und es sich bei den Betroffenen umgekehrt verhält. Betroffene sind vorwiegend ehemalige Beziehungspartner*innen, aber auch flüchtige Bekannte (aus dem sozialen Umfeld oder dem Internet), Kolle*iInnen, Ärzt*innen, Therapeut*nnen u.a. Stalking ist so weit verbreitet und beeinträchtigt die Betroffenen so gravierend, dass es seit März 2007 durch den speziellen Tatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) strafbar ist und jeder Betroffene Schutz und Unterstützung erhalten kann.
- In angelsächsischen Studien liegt die opferbezogene Lebenszeitprävalenz von Stalking bei 4-7,2% für Männer und bei 12-17,5% für Frauen ( Budd & Mattinson, 2000; Pucell, Pathé & Mullen, 2002).
- In Deutschland werden 11,6% aller Menschen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Stalking (Dreßing, 2005).
- Eine umfassende Metastudie hat ergeben, dass sich in ca. 75% der Stalkingfälle Betroffene*r und Stalker*in kennen und in ca. 25% fremd sind. Hierbei finden ca. 50% aller Stalkingfälle im Anschluss an eine Liebesbeziehung statt (Spitzberg, 2002).
- In Berlin kam es im Jahr 2013 zu 2157 Strafanzeigen wegen Stalking (Polizeiliche Kriminalstatistik 2013).
- In der Bundesrepublik gehen jährlich ca. 25.000 polizeiliche Anzeigen ein. Eine 2013 in der EU durchgeführte repräsentative Studie zur Gewalt gegen Frauen ergab, dass nur in jedem vierten Fall von Nachstellung tatsächlich eine Strafanzeige bei der Polizei erfolgte, daher liegt die Zahl der betroffenen Frauen – und Männer – weitaus höher.
Dressing, H., Kuehner, C. & Gass, P. (2005). Lifetime prevalence and impact of stalking in a European po-pulation. Br J Psychiatry 187, 168–172.
Budd, T. & Mattinson, J. (2000). The extent and nature of stalking: findings from the 1998. London: British Crime Survey.
Purcell, R., Pathé, M. & Mullen, P. (2002). The prevalence and nature of stalking in the Australian com-munity. Aust NZ J Psychiatry 36, 114–120.
Spitzberg, B. H. (2002). Tactical topography of stalking victimization and management. Trauma, Violence and Abuse, 3, 261–289.
Cyberstalking beschreibt ein Stalking-Verhalten, bei dem eine andere Person unter der Nutzung von Internet, E-Mails, Intranet oder verwandter elektronischer Medien verfolgt oder belästigt wird. Es ist anzunehmen, dass Cyberstalking mit der Verbreitung und Selbstverständlichkeit der Nutzung dieser Technologien weiter zunehmen wird. Cyberstalking kann sowohl eigenständig auftreten, als auch einen Teil eines Stalking-Geschehens ausmachen, bei dem zusätzlich herkömmliche Stalking-Verhaltensweisen auftreten (Hofmann, 2006).
Mögliche Ausdrucksformen von Cyberstalking sind u.A.:
- Unangemessene Kontaktaufnahmen via E-Mail, Twitter, in Sozialen Netzwerken und auf Blogs
- Kontaktaufnahme unter vorgetäuschter Identität
- Verbreitung von Informationen oder Bildern via E-Mail, Twitter, in Sozialen Netzwerken und auf Blogs gegen den Willen der betroffenen Person
- Identitätsdiebstahl, Fake-Einträge oder Fake-Accounts im Internet
- Systematisches Verfolgen und Ausspionieren der Internetaktivitäten der betroffenen Person sowie systematische Recherche nach privaten Informationen
- Ausspionieren, Manipulieren oder Schädigen von Passwörtern, Computern, E-Mail-Konten oder Websites der betroffenen Person
Das Phänomen Cyberstalking verfügt über einige negative Besonderheiten, die das Entstehen, Fortbestehen und Eskalieren des Stalkingverhaltens begünstigen. So können über das Internet eine Öffentlichkeit hergestellt, Dritte in das Stalking mit einbezogen und regelrechte Kampagnen gegen die betroffene Person initiiert werden. Auch spielt die Niedrigschwelligkeit von Stalkinghandlungen eine wesentliche Rolle: Kontaktaufnahmen können unabhängig von Zeit und Aufenthaltsort sowie kostenfrei und anonym erfolgen und erfordern keinen persönlichen Kontakt zur betroffenen Person. Das Fehlen von echtem Kontakt verhindert die Entwicklung von Empathie für die gestalkte Person. Durch das Fehlen sozialer Kontrolle werden Emotionen wie Wut, Eifersucht und Machtbedürfnisse nicht eingeschränkt und reguliert, sondern können frei ausgelebt werden. Zudem kann die gesteigerte Beschäftigung mit der virtuellen Welt des Internets das Konstruieren von Beziehungen sowie Realitätsverlust begünstigen.
Hoffmann, J. (2006). Stalking. Heidelberg: Springer.
Eine besondere Problematik stellt Stalking dann dar, wenn es gemeinsame Kinder aus der vorangegangenen Partnerschaft gibt. Die besondere Schwierigkeit in derartigen Fällen ergibt sich daraus, dass der vom Stalking betroffene Elternteil den Kontakt zum stalkenden Elternteil gar nicht vollständig abbrechen kann, da dieser noch das Sorgerecht und/oder das Umgangsrecht besitzt und Absprachen hinsichtlich der Übergabe der Kinder bei Betreuungswechsel, bezüglich Kita, Schule, Arztbesuchen usw. getroffen werden müssen. In dem Zusammenhang und anhand von Befragungen der Kinder über die Lebensgestaltung des anderen Elternteils wissen die stalkenden Elternteile viel über die Alltagsroutine der Betroffenen und können diese z.B. an der Schule der Kinder leicht „abgepasst“ werden. Erschwerend hinzukommt in derartigen Fällen, dass für Außenstehende wie auch für die involvierten Ämter und Einrichtungen nicht immer leicht zu unterscheiden ist, in welchen Hinsichten Kinder instrumentalisiert werden und wo legitimes Interesse aufhört und eindeutiges Stalking beginnt. In dem Zusammenhang kann es dazu kommen, dass dem Kontaktwunsch der Person, die stalkt, ungewollt Vorschub geleistet und das Schutzbedürfnis des Opfers verletzt wird. Gemeinsame Gespräche beim Jugendamt, gerichtliche Auflagen der Mediation, oder Paar- und Familientherapie sind bei Stalking kontraindiziert.
Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass für den Elternteil, von dem das Stalking ausgeht, der Verlust des/der Partner*in und die Einschränkungen im Umgang mit dem eigenen Kind als höchst bedrohlich erlebt werden und häufig zu einer existentiellen Krise führen. Ein stark angeschlagenes Selbstwertgefühl, das Erleben von Ungerechtigkeit und die massive Kränkung durch den Verlust der Elternrolle müssen zeitnah bearbeitet werden, denn die Gefahr einer unangemessenen Bewältigung durch Stalking und/oder andere Handlungen ist mehrfach erhöht.
Bei eskalierten Trennungskonflikten mit gemeinsamen Kindern und Auseinandersetzungen über die Sorgerechts- und Umgangsregelungen müssen das Kindeswohl, berechtigte Elterninteressen vs. Instrumentalisierung der Kinder für Stalkingoptionen gegeneinander abgewogen werden. In Kooperation mit u. a. Jugendämtern und Familiengerichten bietet Stop-Stalking sowohl Elternteilen, die stalken, als auch Elternteilen, die gestalkt werden, eine die besonderen Umstände berücksichtigende Beratung an.
Darüber hinaus sollte auch den betroffenen Kindern und Jugendlichen ein entsprechendes Beratungs- und Unterstützungsangebot gemacht werden, entweder in einer kommunalen Erziehungs- und Familienberatungsstelle oder bei einem niedergelassenen Kinder-und Jugendpsychotherapeut*innen.
Stadler, L. (2009). Ex-Partner-Stalking im Kontext familienrechtlicher Auseinandersetzungen. Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft.
Fachtag der Stalking-Opferhilfe-Berlin 2010 „Und was wird aus den Kindern“ im Roten Rathaus, unter Beteiligung von Stop-Stalking-Berlin.
Fachtag der Diakonie 2011 in Köln „Wie Kinder zu Stalking-Opfern werden“, unter Beteiligung von Stop-Stalking-Berlin.
Gesetz / Recht
Auf den folgenden Seiten finden Sie Auszüge der aktuellen Gesetzestexte des Gewaltschutzgesetzes und des Strafrechts, welche Stalking betreffen.
Fort- und Weiterbildungsangebote
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