Selbstverständnis2023-05-04T17:50:10+02:00

Selbstverständnis

Stalking, das Nachstellen und Belästigen einer anderen Person, tritt in allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten sowie bei allen Geschlechtern auf. Dies gilt für die Betroffenen wie auch für die Menschen, die stalken.

Es stellt in vielen Fällen für beide Seiten ein erhebliches Problem dar. Die Folgen für Betroffene können u. a. Angst, Panikattacken, Depressionen, Schlafstörungen, psychosomatische Beschwerden, Arbeitsunfähigkeit, sozialen Rückzug und Einsamkeit umfassen.

Doch auch die Menschen, die stalken, leiden oftmals unter dem eigenen Stalking-Verhalten und dessen möglichen Auswirkungen wie u. a. innerer Leere, geringem Selbstbewusstsein, Scham- und Schuldgefühlen, Frustration, Kontrollverlust, Einsamkeit und sozialem Rückzug, Problemen mit Polizei und Justiz, Verlust von Zeit und Energie.

Wir verstehen Stalking als ein Geschehen, dem häufig eine missglückte Beziehungsgestaltung voran ging (Fiedler 2006). Dann betrifft es nicht ein isoliertes Individuum, sondern Menschen, die eine Vorgeschichte miteinander hatten, von der einer nicht loslassen will. Manchmal wurden Signale von Nähe bzw. Distanzierung fehlinterpretiert, manchmal glaubt die stalkende Person, noch ein Recht auf weitergehende Erklärungen zu haben, manchmal fällt es auch der betroffenen Person schwer, sich eindeutig und unmissverständlich abzugrenzen. Dennoch bleiben die Verantwortung und die strafrechtliche Schuld für das Stalking bei dem Menschen, der stalkt. Mit ihm bzw. ihr wollen wir erarbeiten, was er bzw. sie braucht, um ohne Stalking wieder selbstbestimmt leben zu können.

Die Beratungsstelle Stop-Stalking berät darum sowohl Betroffene von Stalking als auch Menschen, die stalken, sowie Angehörige und Personen, die im beruflichen Kontext mit Stalking zu tun haben.

Darüber hinaus verstehen wir unsere Aufgabe ebenfalls in der Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit hinsichtlich des Themas Stalking sowie im Aufbau eines Netzwerks, an dem Beratungseinrichtungen, Ämter und Strafverfolgungsbehörden zusammenwirken. Nur so kann Stalking effektiv eingeschränkt werden.

Fiedler, P. (2006). Stalking: Opfer, Täter, Prävention, Behandlung. Weinheim, Basel: Beltz.

Bernini-ApolloandDaphneGreen

Stalking

Auf den folgenden Seiten erhalten Sie allgemeine Informationen zum Thema „Stalking“, worunter eine Begriffsklärung und Angaben zu aktuellen Zahlen fallen. Darüber hinaus informieren wir Sie über Cyberstalking. Auf der letzten Seite erhalten Sie zudem Informationen darüber, in welchen Fällen Kinder von Stalking betroffen sein können und welche Hilfemöglichkeiten es gibt.

Der englische Begriff Stalking stammt ursprünglich aus der Jagdsprache und bedeutet übersetzt “heranpirschen”, “verfolgen” oder “nachstellen”. Seit den frühen Neunzigerjahren setzte sich der Begriff zunächst im angelsächsischen Raum und später auch in Deutschland als Bezeichnung für jenes soziale Verhalten durch, welches das Nachstellen einer anderen Person beinhaltet. Stalking beschreibt seither das vorsätzliche und beharrliche Nachstellen und Belästigen einer Person, welches diese nicht möchte und als unangenehm erlebt. Hierbei kann eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungsweisen vorkommen:

  • Telefonanrufe
  • Briefe / SMS / E-Mails
  • Nachlaufen, Beschatten, Verfolgen, Ausspähen
  • Unerwünschte Geschenke und Warenbestellungen
  • Unerwünschte Kontaktaufnahmen in sozialen Medien, Verleumdungen und Manipulationen
  • Cyberkriminelle Handlungen (z.B. Hacken)
  • Miteinbeziehen der Angehörigen, Freund*nnen und Kolleg*innen usw.
  • Beschädigen von Eigentum
  • Eindringen in die Wohnung, aufs Grundstück
  • Drohungen und körperliche Angriffe

Entgegen verbreiteter Vorstellungen und gelegentlicher Darstellung in den Medien ist Stalking nicht primär ein “Problem von Prominenten”, sondern tritt sowohl hinsichtlich der Betroffenen als auch der Menschen, die stalken, in allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten auf. Hierbei finden sich unter den Menschen, die stalken, sowie unter den Betroffenen sowohl Frauen als auch Männer, wobei ca.70% der Menschen, die stalken, männlich und ca. 30% weiblich sind und es sich bei den Betroffenen umgekehrt verhält. Betroffene sind vorwiegend ehemalige Beziehungspartner*innen, aber auch flüchtige Bekannte (aus dem sozialen Umfeld oder dem Internet), Kolle*iInnen, Ärzt*innen, Therapeut*nnen u.a. Stalking ist so weit verbreitet und beeinträchtigt die Betroffenen so gravierend, dass es seit März 2007 durch den speziellen Tatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) strafbar ist und jeder Betroffene Schutz und Unterstützung erhalten kann.

  • In angelsächsischen Studien liegt die opferbezogene Lebenszeitprävalenz von Stalking bei 4-7,2% für Männer und bei 12-17,5% für Frauen ( Budd & Mattinson, 2000; Pucell, Pathé & Mullen, 2002).
  • In Deutschland werden 11,6% aller Menschen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Stalking (Dreßing, 2005).
  • Eine umfassende Metastudie hat ergeben, dass sich in ca. 75% der Stalkingfälle Betroffene*r und Stalker*in kennen und in ca. 25% fremd sind. Hierbei finden ca. 50% aller Stalkingfälle im Anschluss an eine Liebesbeziehung statt (Spitzberg, 2002).
  • In Berlin kam es im Jahr 2013 zu 2157 Strafanzeigen wegen Stalking (Polizeiliche Kriminalstatistik 2013).
  • In der Bundesrepublik gehen jährlich ca. 25.000 polizeiliche Anzeigen ein. Eine 2013 in der EU durchgeführte repräsentative Studie zur Gewalt gegen Frauen ergab, dass nur in jedem vierten Fall von Nachstellung tatsächlich eine Strafanzeige bei der Polizei erfolgte, daher liegt die Zahl der betroffenen Frauen – und Männer – weitaus höher.

Dressing, H., Kuehner, C. & Gass, P. (2005). Lifetime prevalence and impact of stalking in a European po-pulation. Br J Psychiatry 187, 168–172.

Budd, T. & Mattinson, J. (2000). The extent and nature of stalking: findings from the 1998. London: British Crime Survey.

Purcell, R., Pathé, M. & Mullen, P. (2002). The prevalence and nature of stalking in the Australian com-munity. Aust NZ J Psychiatry 36, 114–120.

Spitzberg, B. H. (2002). Tactical topography of stalking victimization and management. Trauma, Violence and Abuse, 3, 261–289.

Cyberstalking beschreibt ein Stalking-Verhalten, bei dem eine andere Person unter der Nutzung von Internet, E-Mails, Intranet oder verwandter elektronischer Medien verfolgt oder belästigt wird. Es ist anzunehmen, dass Cyberstalking mit der Verbreitung und Selbstverständlichkeit der Nutzung dieser Technologien weiter zunehmen wird. Cyberstalking kann sowohl eigenständig auftreten, als auch einen Teil eines Stalking-Geschehens ausmachen, bei dem zusätzlich herkömmliche Stalking-Verhaltensweisen auftreten (Hofmann, 2006).

Mögliche Ausdrucksformen von Cyberstalking sind u.A.:

  • Unangemessene Kontaktaufnahmen via E-Mail, Twitter, in Sozialen Netzwerken und auf Blogs
  • Kontaktaufnahme unter vorgetäuschter Identität
  • Verbreitung von Informationen oder Bildern via E-Mail, Twitter, in Sozialen Netzwerken und auf Blogs gegen den Willen der betroffenen Person
  • Identitätsdiebstahl, Fake-Einträge oder Fake-Accounts im Internet
  • Systematisches Verfolgen und Ausspionieren der Internetaktivitäten der betroffenen Person sowie systematische Recherche nach privaten Informationen
  • Ausspionieren, Manipulieren oder Schädigen von Passwörtern, Computern, E-Mail-Konten oder Websites der betroffenen Person

Das Phänomen Cyberstalking verfügt über einige negative Besonderheiten, die das Entstehen, Fortbestehen und Eskalieren des Stalkingverhaltens begünstigen. So können über das Internet eine Öffentlichkeit hergestellt, Dritte in das Stalking mit einbezogen und regelrechte Kampagnen gegen die betroffene Person initiiert werden. Auch spielt die Niedrigschwelligkeit von Stalkinghandlungen eine wesentliche Rolle: Kontaktaufnahmen können unabhängig von Zeit und Aufenthaltsort sowie kostenfrei und anonym erfolgen und erfordern keinen persönlichen Kontakt zur betroffenen Person. Das Fehlen von echtem Kontakt verhindert die Entwicklung von Empathie für die gestalkte Person. Durch das Fehlen sozialer Kontrolle werden Emotionen wie Wut, Eifersucht und Machtbedürfnisse nicht eingeschränkt und reguliert, sondern können frei ausgelebt werden. Zudem kann die gesteigerte Beschäftigung mit der virtuellen Welt des Internets das Konstruieren von Beziehungen sowie Realitätsverlust begünstigen.

Hoffmann, J. (2006). Stalking. Heidelberg: Springer.

Eine besondere Problematik stellt Stalking dann dar, wenn es gemeinsame Kinder aus der vorangegangenen Partnerschaft gibt. Die besondere Schwierigkeit in derartigen Fällen ergibt sich daraus, dass der vom Stalking betroffene Elternteil den Kontakt zum stalkenden Elternteil gar nicht vollständig abbrechen kann, da dieser noch das Sorgerecht und/oder das Umgangsrecht besitzt und Absprachen hinsichtlich der Übergabe der Kinder bei Betreuungswechsel, bezüglich Kita, Schule, Arztbesuchen usw. getroffen werden müssen. In dem Zusammenhang und anhand von Befragungen der Kinder über die Lebensgestaltung des anderen Elternteils wissen die stalkenden Elternteile viel über die Alltagsroutine der Betroffenen und können diese z.B. an der Schule der Kinder leicht „abgepasst“ werden. Erschwerend hinzukommt in derartigen Fällen, dass für Außenstehende wie auch für die involvierten Ämter und Einrichtungen nicht immer leicht zu unterscheiden ist, in welchen Hinsichten Kinder instrumentalisiert werden und wo legitimes Interesse aufhört und eindeutiges Stalking beginnt. In dem Zusammenhang kann es dazu kommen, dass dem Kontaktwunsch der Person, die stalkt,  ungewollt Vorschub geleistet und das Schutzbedürfnis des Opfers verletzt wird. Gemeinsame Gespräche beim Jugendamt, gerichtliche Auflagen der Mediation, oder Paar- und Familientherapie sind bei Stalking kontraindiziert.

Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass für den Elternteil, von dem das Stalking ausgeht, der Verlust des/der Partner*in  und die Einschränkungen im Umgang mit dem eigenen Kind als höchst bedrohlich erlebt werden und häufig zu einer existentiellen Krise führen. Ein stark angeschlagenes Selbstwertgefühl, das Erleben von Ungerechtigkeit und die massive Kränkung durch den Verlust der Elternrolle müssen zeitnah bearbeitet werden, denn die Gefahr einer unangemessenen Bewältigung durch Stalking und/oder andere Handlungen ist mehrfach erhöht.

Bei eskalierten Trennungskonflikten mit gemeinsamen Kindern und Auseinandersetzungen über die Sorgerechts- und Umgangsregelungen müssen das Kindeswohl, berechtigte Elterninteressen vs. Instrumentalisierung der Kinder für Stalkingoptionen gegeneinander abgewogen werden. In Kooperation mit u. a. Jugendämtern und Familiengerichten bietet Stop-Stalking sowohl Elternteilen, die stalken, als auch Elternteilen, die gestalkt werden, eine die besonderen Umstände berücksichtigende Beratung an.
Darüber hinaus sollte auch den betroffenen Kindern und Jugendlichen ein entsprechendes Beratungs- und Unterstützungsangebot gemacht werden, entweder in einer kommunalen Erziehungs- und Familienberatungsstelle oder bei einem niedergelassenen Kinder-und Jugendpsychotherapeut*innen.

Stadler, L. (2009). Ex-Partner-Stalking im Kontext familienrechtlicher Auseinandersetzungen. Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft.

Fachtag der Stalking-Opferhilfe-Berlin 2010 „Und was wird aus den Kindern“ im Roten Rathaus, unter Beteiligung von Stop-Stalking-Berlin.

Fachtag der Diakonie 2011 in Köln „Wie Kinder zu Stalking-Opfern werden“, unter Beteiligung von Stop-Stalking-Berlin.

Gesetz / Recht

Auf den folgenden Seiten finden Sie Auszüge der aktuellen Gesetzestexte des Gewaltschutzgesetzes und des Strafrechts, welche Stalking betreffen.

Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG)

§ 1
Gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen

(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden.

Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1. die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
2. sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
3. zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
4. Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
5. Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen, soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1. eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich gedroht hat oder
2.eine Person widerrechtlich und vorsätzlich
a) in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder
b) eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.

Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

§ 2
Überlassung einer gemeinsam genutzten Wohnung

(1) Hat die verletzte Person zum Zeitpunkt einer Tat nach § 1 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, mit dem Täter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt, so kann sie von diesem verlangen, ihr die gemeinsam genutzte Wohnung zur alleinigen Benutzung zu überlassen.
(2) Die Dauer der Überlassung der Wohnung ist zu befristen, wenn der verletzten Person mit dem Täter das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück, auf dem sich die Wohnung befindet, zusteht oder die verletzte Person mit dem Täter die Wohnung gemietet hat. Steht dem Täter allein oder gemeinsam mit einem Dritten das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zu, auf dem sich die Wohnung befindet, oder hat er die Wohnung allein oder gemeinsam mit einem Dritten gemietet, so hat das Gericht die Wohnungsüberlassung an die verletzte Person auf die Dauer von höchstens sechs Monaten zu befristen. Konnte die verletzte Person innerhalb der vom Gericht nach Satz 2 bestimmten Frist anderen angemessenen Wohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschaffen, so kann das Gericht die Frist um höchstens weitere sechs Monate verlängern, es sei denn, überwiegende Belange des Täters oder des Dritten stehen entgegen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht und das dingliche Wohnrecht.

(3) Der Anspruch nach Absatz 1 ist ausgeschlossen,

1. wenn weitere Verletzungen nicht zu besorgen sind, es sei denn, dass der verletzten Person das weitere Zusammenleben mit dem Täter wegen der Schwere der Tat nicht zuzumuten ist oder
2. wenn die verletzte Person nicht innerhalb von drei Monaten nach der Tat die Überlassung der Wohnung schriftlich vom Täter verlangt oder
3. soweit der Überlassung der Wohnung an die verletzte Person besonders schwerwiegende Belange des Täters entgegenstehen.
4. Ist der verletzten Person die Wohnung zur Benutzung überlassen worden, so hat der Täter alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Ausübung dieses Nutzungsrechts zu erschweren oder zu vereiteln.
5. Der Täter kann von der verletzten Person eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.
6. Hat die bedrohte Person zum Zeitpunkt einer Drohung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt mit dem Täter geführt, kann sie die Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung verlangen, wenn dies erforderlich ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden.

Eine unbillige Härte kann auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist. Im Übrigen gelten die Absätze 2 bis 5 entsprechend.

§ 3
Geltungsbereich, Konkurrenzen

(1) Steht die verletzte oder bedrohte Person im Zeitpunkt einer Tat nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 unter elterlicher Sorge, Vormundschaft oder unter Pflegschaft, so treten im Verhältnis zu den Eltern und zu sorgeberechtigten Personen an die Stelle von §§ 1 und 2 die für das Sorgerechts-, Vormundschafts- oder Pflegschaftsverhältnis maßgebenden Vorschriften.
(2) Weitergehende Ansprüche der verletzten Person werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

§ 4
Strafvorschriften

Wer einer bestimmten vollstreckbaren Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1, zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.

Auszug aus dem Strafgesetzbuch

§§ 232 – 241a Straftaten gegen die persönliche Freiheit

§ 238 Nachstellung

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

  1. die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
  2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
  3. unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
    1. Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
    2. Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
  4. diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
  5. zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach §202a, § 202b oder § 202c begeht,
  6. eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
  7. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
  8. eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

  1. durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
  2. das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
  3. dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
  4. bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
  5. eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
  6. einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
  7. über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Vorschrift neugefaßt durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution vom 10.08.2021 (BGBl. I S. 3513), in Kraft getreten am 01.10.2021

Der Opferschutz ermöglicht es Betroffenen Gebrauch von der Nebenklage (§§ 395 – 402 StPO) zu machen. Wer Opfer einer bestimmten Straftat geworden ist, so auch im Falle von Stalking (Nachstellung, § 238 StGB), kann Verfahrensbeteiligte*r mit bestimmten Rechten in der öffentlichen Klage werden. Wer als Nebenkläger*in am Strafverfahren teilnimmt, kann das gesamte Verfahren mitverfolgen und unmittelbar seine Interessen und Ansichten im Strafverfahren einbringen. Dies kann Vorteile auf die Effektivität des Strafverfahrens im Opferinteresse haben.

Unter Anderem stehen dem/der Nebenkläger*in (also dem/der Geschädigten durch eine Straftat) dabei folgende Rechte zu:

– Anwesenheit in der gesamten Hauptverhandlung
– Akteneinsicht durch eine(n) vertretende(n) Anwalt/Anwältin
– Fragerecht in der Hauptverhandlung
– Beweisanträge selber stellen
– Erklärungen zur Beweiserhebung abgeben
– Abgabe einer Schlusserklärung und Rechtsmitteleinlegung gegen das Urteil

Weitere Informationen können Sie auf der Website von Nebenklage e. V. finden.

Fort- und Weiterbildungsangebote

Hier folgen Angebote zur Fort- und Weiterbildung. Bitte besuchen Sie uns später wieder.

Nach oben